Merkels Koalition will die Rentendebatte ignorieren
Der Deutsche Gewerkschaftsbund wolle der AfD doch bestimmt nicht “in die Hände spielen”, oder? Und mal ehrlich: So ein Slogan wie “Rente muss auch morgen reichen” — beim derzeit noch halbwegs entspannten Rentenlage müssen wir das Thema Altersarmut nun echt nicht schon wieder hochkochen! Wie Der Spiegel berichtet, hörte sich das beim Spitzentreffen von CDU und DGB fast so an, als würde sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel große Sorgen um den guten Ruf der Gewerkschaften machen.
Auf den zweiten Blick kann man aber Entwarnung geben: Die Bundeskanzlerin kümmert sich neuerdings nicht etwa liebevoll um die Arbeitnehmervertreter — sie möchte die Großbaustelle Altersvorsorge bloß schnell wieder in der Schublade verstecken. Ein richtig unpopuläres Thema, die Flüchtlingskrise, reicht ihr nämlich dicke.
“Rentenkonzept” anstelle der überfälligen, großen Reform
Da braucht die Union niemanden, der darauf rumreitet, dass es Milliarden kostet, das derzeitige Rentenniveau stabil zu halten. Und darauf, dass die altgedienten, über vierzig Jahre schuftenden, Arbeitnehmer zumindest das auch verdient hätten. Auch die Besserwisser, die die Rente mit 63 und die Mütterrente für Beitragsverschleuderung halten, müssen jetzt nicht unbedingt eine große Bühne bekommen — zumindest bis Ende September 2017 nicht. Um die Wogen möglichst vor dem nächsten Herbst zu glätten, soll ein “Rentenkonzept” eine “ausbalancierte Lösung zwischen den Generationen” bringen: In Planung sind ein symbolisch eingefrorenes Rentenniveau und das hoffentlich volksbetäubende Versprechen, die Rentenbeiträge zu deckeln. Die große, längst überfällige Rentenreform fällt damit auch in dieser Regierungsperiode aus.
Damit wird auch die zweite Große Koalition innerhalb von gerade einmal elf Jahren ihrer außerordentlichen Verantwortung nicht gerecht. Denn anders als Tendenz-Koalitionen (mit nur knapper Mehrheit) haben Union und SPD insgesamt fast 80 Prozent der Parlamentssitze inne. Und damit könnten sie den Unmut über einen weitreichenden, unpopulären aber gleichzeitig allzu notwendigen Einschnitt wohl vergleichsweise gut wegstecken.
Reformen machen unpopulär und gefähren die Machtposition
Allerdings würde das alles ehrlicherweise auch bedeuten, dass sich nicht seriös absehen lässt, welche politischen Parteien am Wahlabend im kommenden September die Mehrheit stellen würden. Diese Machtunsicherheit hemmt die Verantwortlichen.
Dass Angela Merkel allerdings die AfD als großen Unsicherheitsfaktor und Stimmenfänger ausgemacht hat, lenkt nur von ihren eigenen, populistischen Scheinreformen ab. Unabhängig von manchen Inhalten und Personalien der AfD — das Rentenkonzept der Partei, das die “drastische” Senkung des Rentenniveaus und die stärkere Belastung von kinderlosen Arbeitnehmern vorsieht, ist ein substanzieller Diskussionsvorschlag. In Wahlkampfzeiten würde man auch politischer Selbstmord dazu sagen.
Bildnachweis (Titel) | „Unionsfraktion mit Angela Merkel (Tobias Koch).jpg“ von . Unter der Lizenz: CC BY-SA 3.0 de
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