Dreist an der Rea­li­tät vor­bei­ver­si­chert

Dreist an der Rea­li­tät vor­bei­ver­si­chert

Nach dem Bache­l­or einen uni­frei­en Som­mer ein­le­gen und etwas arbei­ten — es könn­te so ein­fach sein, oder? Wer dafür aber ein Klein­ge­wer­be anmel­det, um im Unter­neh­men sei­ner Wahl als frei­er Mit­ar­bei­ter sei­ne Stun­den abzu­leis­ten, darf sich gleich­zei­tig auf Trick­se­rei­en sei­ner Kran­ken­kas­se freu­en. Die Mit­ar­bei­ter dort tun sich — sagen wir vor­sich­tig- schwer mit “klei­nen Selbst­stän­di­gen”. Wes­halb offen­bar Bei­trags­feil­schen dazu­ge­hört.

Die Aus­gangs­la­ge

Ver­meint­li­ch ändert sich nicht viel für mich: Unter­halb der Alters­gren­ze von 25 Jah­ren soll­te ich wei­ter fami­li­en­si­chert sein — ganz unab­hän­gig davon, ob ich für den Som­mer an der Uni ein­ge­schrie­ben bin oder nicht. Außer­dem habe ich nicht vor, in den Som­mer­mo­na­ten wahn­sin­ni­ge Beträ­ge zu schef­feln. Mal ein paar Arti­kel für lau­si­ges Zei­len­ho­no­rar schrei­ben hier, mal ein paar Mes­se­ta­ge in Mün­chen da.

Der Weg zum Hick­hack

Das Pro­blem fängt damit an, dass ich ein Gewer­be ange­mel­det habe. Dadurch haben sich nicht nur die kom­mu­na­len Behörden(legitimerweise) wegen der Nut­zung von Büro­räu­men oder der Müll­ab­ga­be gemel­det, auch mei­ne Kran­ken­ver­si­che­rung, die Hei­mat-Kran­ken­kas­se, wur­de hell­hö­rig und schick­te mit einen Aus­kunfts­bo­gen zu.

Aber das war an sich kein Bein­bruch. Als Ver­si­che­rungs­neh­mer ist es für mich ver­ständ­li­ch, dass ich mei­ne Anga­ben erneu­ern muss, wenn sich mei­ne Ein­kom­mens­si­tua­ti­on ändert. Schließ­li­ch will ich durch die Selbst­stän­dig­keit mei­ne Leis­tun­gen ja selbst in Rech­nung stel­len und nicht als Werk­stu­dent oder der­glei­chen ange­stellt sein. Dar­um füll­te ich den Aus­kunfts­bo­gen auch mit mei­nen ganz unver­fäng­li­chen Daten aus: Kei­ne eige­ne Betriebs­stät­te, kei­ne Ein­künf­te aus Ver­mie­tung oder Kapi­tal­ge­schäf­ten, erwar­te­tes Jah­res­ein­kom­men ca. 3500 Euro — nicht mal 400-Euro-Job-Niveau.

Was die Ver­si­che­rung dar­aus mach­te

…war an Frech­heit (oder Dumm­heit?) kaum zu über­bie­ten. Denn kei­ne Woche nach mei­ner Aus­kunft flat­ter­te mir ein Bescheid über 383 Euro Gesamt­mo­nats­bei­trag ins Haus. Moment, 383 Euro? Das heißt ja…

Rich­tig, 4600 Euro jähr­li­ch allein für die Kran­ken­ver­si­che­rung. Also mei­ne 3500 Euro Jah­res­ein­nah­men plus ein Kre­dit über 1100 Euro, damit ich wei­ter ver­si­chert wäre?! Zumin­dest war das die Auf­fas­sung der Ver­si­che­rungs­mit­ar­bei­te­rin, die für mich zustän­dig ist. War­um? Weil für Selbst­stän­di­ge, unab­hän­gig von den tat­säch­li­chen Ein­künf­ten pau­schal ange­nom­men wird, dass sie min­des­tens 2.178,75 Euro pro Monat ver­die­nen. Was nicht alles pas­siert, wenn jemand ohne nach­zu­den­ken, einen Tarif fest­setzt. Sicher­heits­hal­ber habe ich mei­ner Ver­si­che­rung gleich mal die Ein­zugs­er­mäch­ti­gung ent­zo­gen. Ein über­zo­ge­nes Kon­to wegen offen­sicht­li­ch zu hoch ange­setz­ter Bei­trä­ge muss nun wirk­li­ch nicht sein.

Wie sich die Sache (fast) lösen ließ

Über Umwe­ge und mei­ne Dro­hung, die Ver­si­che­rung zu wech­seln, wur­de mir immer­hin ange­bo­ten, dass ich einen Antrag auf Bei­trags­min­de­rung stel­len kann — damit ich qua­si als Exis­tenz­grün­der nur noch auf 1.452,50 Euro Ein­nah­men geschätzt wür­de. Eine ange­mes­se­ne Lösung? Lei­der auch nicht. 50–60 Pro­zent der Ein­nah­men für die Kran­ken­kas­se aus­zu­ge­ben; das ist genauso indis­ku­ta­bel.

Lässt sich da wirk­li­ch nichts machen?”, war mei­ne leicht ver­zwei­fel­te Fra­ge nach zwan­zig Minu­ten Tele­fo­nat, in dem ich immer wie­der geschil­dert hat­te, dass ich kaum etwas ver­die­ne und mit unab­läs­sig die Ver­si­che­rungs­re­geln erklärt wur­den, gab es dann offen­bar doch eine ech­te Alter­na­ti­ve ohne die ganz dre­cki­gen Tricks: Den Min­dest­bei­trag für Gering­ver­die­ner näm­li­ch. Der liegt in mei­nem Fall bei etwas unter 70 Euro. Es geht anschei­nend doch fai­rer. Zwar spre­chen wir immer noch von knapp 850 Euro — aber immer­hin wäre das auf einem Niveau, das auch Gut­ver­die­ner monat­li­ch für Ihre Kran­ken­ver­si­che­rung zah­len.

Die Kon­se­quenz dar­aus

Es ist wie so oft: Mehr­glei­sig fah­ren lohnt sich meis­tens. Denn alter­na­tiv habe ich auch ande­re Kran­ken­kas­sen gefragt, wie denn mein güns­tigs­ter Ver­si­che­rungs­schutz aus­se­hen wür­de. Und tat­säch­li­ch: Die AOK hat mir wie selbst­ver­ständ­li­ch erklärt, dass ich in mei­ner Situa­ti­on wei­ter fami­li­en­ver­si­chert bin. Ich müss­te nur vor­sichts­hal­ber erklä­ren, wes­we­gen ich ein Gewer­be ange­mel­det habe, dazu sol­le ich den Aus­kunfts­bo­gen neu aus­fül­len. Dann wür­de das schon funk­tio­nie­ren.

Die Moral von der Geschich­te: Bis­her habe ich immer schmun­zeln müs­sen, wenn es ums The­ma Ver­si­che­rungs­tricks ging. Wenn man selbst der Spiel­ball ist, dann ist das plötz­li­ch gar nicht mehr so lus­tig. Ach ja, hat­te ich schon erwähnt, wie sehr sich die­ses Bei­trags­spiel­chen für mei­ne –jetzt ja ehe­ma­li­ge — Ver­si­che­rung gelohnt — hat? Auch mei­ne Eltern und mein Bru­der haben mit der AOK jetzt eine neue ‘Hei­mat­kran­ken­kas­se’. Aus Prin­zip.

 

Keine Kommentare

Deinen Kommentar hinzufügen