Hartz-4-Urtei­le: Job­cen­ter müs­sen auch für Abitur-Fei­ern und Com­pu­ter zah­len

Hartz-4-Urtei­le: Job­cen­ter müs­sen auch für Abitur-Fei­ern und Com­pu­ter zah­len

Was steht Hartz-IV-Emp­fän­gern zu? Die­se Fra­ge bestimmt seit Jah­ren die Debat­te um die Grund­si­che­rung. Jetzt neh­men zwei Gerichts­ur­tei­le den Druck von Eltern, die von Hartz IV leben: Die Kos­ten für Schul-Com­pu­ter und Abitur-Fei­ern müs­sen künf­tig die Job­cen­ter über­neh­men.

409 Euro Hartz IV gibt es der­zeit für einen Allein­ste­hen­den monat­li­ch vom Job­cen­ter. Abge­se­hen von der Mie­te müs­sen die Emp­fän­ger mit die­sem soge­nann­ten Regel­satz mög­lichst alle Kos­ten decken. 409 Euro für Lebens­mit­tel und Klei­dung — oder Din­ge wie den Besu­ch im Kino oder Schwimm­bad. Und wenn es nach den Job­cen­tern geht, dann auch die Kos­ten für die Abitur-Fei­er.

Was auf den ers­ten Bli­ck nur wie Luxus und Ver­gnü­gen scheint, den sich Hartz-IV-Emp­fän­ger eben nicht so umfang­reich leis­ten kön­nen, beur­teilt das saar­län­di­sche Lan­des­so­zi­al­ge­richt in Saar­brü­cken ganz anders. Die Mut­ter eines Abitu­ri­en­ten hat­te geklagt, weil sich die Mit­ar­bei­ter im Job­cen­ter wei­ger­ten, für den Bei­trag zur offi­zi­el­len Abschluss­fei­er des Gym­na­si­ums in Höhe von 100 Euro auf­zu­kom­men.

Das Feh­len bei der Abitur-Fei­er kann beson­ders nach­hal­tig prä­gen und nega­tiv beein­flus­sen”

Mit Erfolg: Die Kos­ten für die Abitur-Fei­er 2015 sind eben kein Teil der Grund­si­che­rung, son­dern sind „unab­hän­gig als Leis­tun­gen der Bil­dung und Teil­ha­be“ zu behan­deln. Wür­de das Job­cen­ter die Kos­ten näm­li­ch nicht über­neh­men, müss­te der Abitu­ri­ent einer „schu­li­schen Gemein­schafts­ver­an­stal­tung“ fern­blei­ben. Und das könn­te den Schü­ler „beson­ders nach­hal­tig prä­gen und nega­tiv beein­flus­sen“.

In sei­nem Urteil stützt sich das Sozi­al­ge­richt auf das Hartz-IV-Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts. Das hat­te 2010 fest­ge­stellt, dass Bedürf­ti­ge laut Sozi­al­ge­setz­buch II in außer­ge­wöhn­li­chen Situa­tio­nen einen „Mehr­be­darf“ anmel­den kön­nen. Das Arbeits­lo­sen­geld II umfas­se näm­li­ch nicht pau­schal alle „Son­der­si­tua­tio­nen“ und „Bedarfs­la­gen“, urteil­ten auch die Sozi­al­rich­ter in Saar­brü­cken. Damit geht die Rech­nung wie­der zurück an das Amt. End­gül­tig, denn eine Beru­fung ließ das Gericht nicht zu.

Schul-PC muss auch nicht von Hartz IV bezahlt wer­den

Ähn­li­ch ent­schie­den die Rich­ter am Sozi­al­ge­richt Cott­bus bereits ver­gan­ge­nen Okto­ber. Dort klag­te eine Hartz-IV-Bezie­he­rin gegen das ört­li­che Job­cen­ter. Das Amt hat­te sich quer­ge­stellt, als die Mut­ter einer Gym­na­si­as­tin die Rech­nung für einen Schul­com­pu­ter ein­ge­reicht hat­te. Doch auch in die­sem Pro­zess ver­lor das Job­cen­ter und kann nicht in Beru­fung gehen.

Weil die ange­hen­de Abitu­ri­en­tin „die Haus­auf­ga­ben ins Inter­net gestellt“ bekom­me, wäre sie ohne eige­nen Schul-PC auf­ge­schmis­sen. Man­che Kur­se wer­den an ihrem Gym­na­si­um näm­li­ch „kom­plett online ange­bo­ten“. Dar­um wird „der Com­pu­ter für die gesam­te Schul­zeit benö­tigt.“ Dass die Klä­ge­rin bereits einen Lap­top zu Hau­se habe, den die Schü­le­rin ja mit­nut­zen kön­ne, ließ das Sozi­al­ge­richt Cott­bus nicht als Argu­ment gel­ten. Die Mut­ter brau­che die­sen schließ­li­ch „für ihre eige­ne beruf­li­che Tätig­keit”, die sie neben­her betreibt.

Rich­tungs­wei­sen­de” Ent­schei­dun­gen, die teu­er wer­den könn­ten

Aus Sicht des Refe­ren­ten für Arbeits­lo­sen- und Sozi­al­hil­fe­recht Harald Tho­mé sind die bei­den Gerichts­ur­tei­le „rich­tungs­wei­send“, schreibt er auf der Sei­te des Erwerbs­lo­sen- und Sozi­al­hil­fe­ver­eins Tache­les e.V. Soll­te sich die Ent­schei­dungs­pra­xis der bei­den Sozi­al­ge­rich­te durch­set­zen, dürf­ten in Zukunft spür­ba­re Mehr­kos­ten auf die deut­schen Sozi­al­hil­fe-Behör­den zukom­men. Die Ent­schei­dun­gen sind näm­li­ch so for­mu­liert, dass sie wohl auch auf vie­le ande­re Fami­li­en anwend­bar sind. Für Schul-PCs und Abi-Fei­ern zahlt also in Zukunft wohl meist das ört­li­che Job­cen­ter.

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