Herzlichen akademischen Glückwunsch! Du hast deine anderthalb Nervenzusammenbrüche während des Verfassens deiner Bachelorarbeit mehr oder weniger gut überstanden. Lange genug, ja sogar Jahre, hast du auf diesen Moment hingearbeitet oder zumindest darauf gewartet. Und nun? Party, Prokrastination oder Praktikum? Ein Auszug aus dem Bachelor-Afterlife.
1. Dein persönlicher epischer Moment
Wahrscheinlich hast du dir schon seit Monaten vorgestellt, wie er sein wird: der Moment gleich nach der Abgabe. Der Gang aus dem Prüfungssekretariat über den Campus ist vielleicht der Augenblick, der für immer in der Schublade „Studium“ in deiner Erinnerung gespeichert wird. Also feierst du ihn übertrieben: mit epischer Musik im Ohr oder bewusstem Erleben aller Sinneseindrücke. Dabei ist ein bisschen emotionales Durchdrehen völlig in Ordnung, auch wenn du das Gefühl hast, gerade etwas zu sentimental zu sein. Es soll sogar Leute geben, die sich feierlich von einem Uni-Gebäude verabschieden. Hust.
Was du aus dieser Phase mitnimmst: Das epische Gefühl des Abschieds, denn nicht nur jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Alles hat ein Ende, nur deine BA hat zwei (Schluss und Eidesstattliche Erklärung).
2. „Schaut mal, was ich kann!“
Deine gerade erst errungene Freiheit willst du mit deinen ehemaligen Leidensgenossen gebührend feiern. Dabei ist es dir völlig egal, ob die noch im BA-Knast gefangen sind. Denn du bist ein freier Elf Ex-Student. Und wenn du schon diese einmalige Freiheit hast, willst du jetzt beklatscht werden. Und jeder, wirklich jeder (!) soll dein fertig gebundenes Produkt zumindest aufmerksam durchblättern.
Was du aus dieser Phase mitnimmst: Dass deine Freunde sich ehrlich mit dir freuen können. Auch wenn sie selber erst am Exposé schreiben und dich auch ein bisschen verteufeln, dass du das Ding schon wie einen Pokal in der Hand hältst.
3. Und nun?
Nachdem die anderen wieder zurück in Bibliothek und Vorlesung verschwinden, bleibst du ratlos zurück. Aus dem kleinen „Und was jetzt?“, dass du dich zunächst ganz süffisant selbst fragst, wird eine ausgewachsene Sinnkrise. Die nächsten Tage wirst du lange, aber nicht gut schlafen. Dann fallen dir Kleinigkeiten ein, von denen du denkst, dass sie deine Bachelorarbeit unterirdisch schlecht machen: die eine Grafik, die du noch einfügen, den einen Absatz, den du noch rausstreichen wolltest. Du wirst dein BA-Thema, dein Studium, und schließlich dein ganzes Leben infrage stellen. Aber bitte, bitte mach nicht den einen Fehler, der dir jetzt vielleicht sehr verlockend erscheint: Schau niemals nach Abgabe in deine gebundene Bachelorarbeit! Niemals!
Was du aus dieser Phase mitnimmst: Dass ein Tippfehler dich um nächteweise Schlaf bringen kann. Und dass man sich tatsächlich an die oberste Regel, abgegebene Arbeiten für immer zu schließen, halten sollte.
4. Blinder Google-Aktionismus
Du versuchst, nicht mehr an deine „missglückte“ Bachelorarbeit zu denken und stürzt dich in die Zukunftsplanung. Doch das erscheint dir auch erst mal einfacher, als es ist. Praktikum, Master, oder — Gott bewahre — schon richtig arbeiten? Nach dem Schock, dass du jetzt anscheinend einen inoffiziellen akademischen Titel hast, kommt der nächste: Eigentlich könntest du jetzt schon echtes Geld verdienen, fürs Alter vorsorgen und so weiter. Doch stattdessen googelst du, ob du ein Recht auf Arbeitslosengeld hast. Im Übrigen: Ja, Hartz 4 könntest du beantragen. Aber warte erst, bis du deine Krise überwunden hast und in Phase 5 angekommen bist.
Was du aus dieser Phase mitnimmst: Neben der Hartz 4-Erkenntnis bekommst du auch viel davon mit, welche Stellen und Masterplätze für dich infrage kommen. Auch wenn du dich nur für wenige bis gar keine tatsächlich bewirbst, hast du zumindest einen kleinen Überblick, welche Welt dir offen steht.
5. Stolz und Vorurteil Vorfreude
Okay, deinen kleinen nervösen Zusammenbruch hast du mehr oder weniger überstanden. Du sitzt in Jogginghose vorm Laptop und googelst nach der tausendsten Praktikumsstelle, für die du dich nicht bewerben wirst, als es plötzlich passiert. Dein Scham und dein Ärger, der sich in Phase 4 angestaut hat, verfliegt und wird durch ein zunächst komisches Gefühl von Stolz ersetzt. Denn hey, immerhin hast du jetzt dein Studium abgeschlossen. Das ist schon was, weswegen man sich mal selber auf die Schulter klopfen kann. Fehlende Tabellen hin oder her. Und jetzt erst verwandelt sich dein blinder Aktionismus in sinnvolle Zukunftsplanung. Ob Hartz 4 oder Festanstellung.
Was du aus dieser Phase mitnimmst: Sei gut zu dir selbst und feiere deinen Bachelor-Titel. Den echten, wohlgemerkt. Mit dem du die Karriereleiter hoch, statt ins Kakerlaken-Becken im Dschungelcamp kletterst.