Der Streik der Abzuschaffenden
Morgen ab 2 Uhr früh stehen die Züge wieder still. “Schon wieder”, klagen zahllose Reisende und sind von der scheinbar ewigen Blockadehaltung genervt. Sie wähnen sich in “Geiselhaft” von “Verkehrsterroristen”.
Völlig klar, die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) setzt offensiv auf Streiks – doch das ist ihr gutes Recht. Ein Recht, das die Deutsche Bahn und die Bundespolitik wohl lieber gestern als heute abschaffen würden. Sie könnten sich in weiten Teilen anfreunden, mit der Machtlosigkeit der kleineren, unabhängigen Gewerkschaften. Ein Reformplan für die “Tarifeinheit” (und damit der Marginalisierung der kleineren Gewerksschaften wie der DGL) liegt bereits drohend in den Berliner Schubladen. Das gießt eine Menge Öl ins Feuer. Ungewöhnlich, dass Claus Weselsky und seine Kollegen auf die Barrikaden gehen? Sicher nicht. Das Dilemma: Bund und Bahn spielt der kompromisslose Arbeitskampf voll in die Karten.
Schlimm genug. Doch weit bedenklicher ist, wie die Streikaktionen von den Passagieren, den deutschen Bürgern aufgenommen werden. Dass sich Arbeitnehmer (die zugegebenermaßen in einer Schlüsselposition im öffentlichen Verkehr aktiv sind) hochgradig unbeliebt machen, wenn sie für ihre Rechte eintreten, zeigt aber gleichzeitig: Diese Gesellschaft hat es entweder nicht verstanden oder aber viel verlernt.
Zugegeben: Wir können gern lang und breit über die Art und Weise diskutieren, mit der die DGL ihre Forderungen vertritt. Einen Gewerkschaftsboss Weselsky, der so gebetsmühlenartig wie kühl seine starren Ansichten herunterbetet und sich komplett aus der Haftung nimmt, muss man nicht mögen.
Doch die Fakten hat die GDL dennoch schlicht auf ihrer Seite. 80% der Lokführer und 30% der Zugbegleiter ergeben einen legitimen Anspruch, eigene Tarife auszuhandeln. Die Deutsche Bahn wird das verstehen müssen. Mehr Verständnis benötigen aber alle Seiten. Das schließt auch mit ein, dass dogmatische Extrempositionen aus den Köpfen müssen. Und noch was: Die Drohkulisse von der Entmachtung der kleinen Gewerkschaften hat im deutschen Tarifwesen nichts zu suchen.
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