Flücht­lin­ge hel­fen unse­rer Wirt­schaft vor­er­st nicht wei­ter

Flücht­lin­ge hel­fen unse­rer Wirt­schaft vor­er­st nicht wei­ter

Wir wer­den weni­ger in Deutsch­land. Zumin­dest qua­li­fi­zierte Flücht­linge sei­en des­halb beson­ders not­wen­dig, heißt es. Denn schon jetzt blei­ben Arbeits- und Lehr­stel­len unbe­setzt. Das gilt auch für den Land­kreis Alt­öt­ting. Ob die Flücht­lings­welle dar­an aber zügig etwas ändern kann? Eine Ana­lyse macht eher skep­ti­sch.

1. Der Weg auf den Arbeits­markt dau­ert zu lan­ge

Kommt ein Flücht­ling nach Deutsch­land, dann ver­ge­hen teil­weise schon Mona­te, ehe er offi­zi­ell als Asyl­be­wer­ber regis­triert wird. Dana­ch heißt es war­ten. Drei Mona­te dür­fen Asyl­be­wer­ber dann kei­ner Arbeit nach­ge­hen. Anschlie­ßend kön­nen Flücht­linge über die Aus­län­der­be­hörde eine Arbeits­er­laub­nis bean­tra­gen.

Doch hier begin­nen die eigent­li­chen Hür­den: Die Aus­län­der­be­hörde des Land­rats­am­tes in Alt­öt­ting ist der­zeit stark mit der Bear­bei­tung von Auf­ent­halts­er­laub­nis­sen, der Flücht­lings­un­ter­brin­gung und Betreu­ung so stark aus­ge­las­tet, dass es erneut Mona­te dau­ert, ehe ein Flücht­ling sei­ne Arbeits­er­laub­nis erhält und sich tat­säch­lich arbeits­su­chend mel­den kann.

Arbeitsmarktzugang

Hat ein Asyl­be­wer­ber sei­ne ‚War­te­frist‘ von drei Mona­ten abge­ses­sen und erfolg­reich eine Arbeits­er­laub­nis ein­ge­holt, ste­hen ihm noch die soge­nann­ten „bevor­rech­tig­ten Arbeit­neh­mer“ im Weg. Nur wenn kein Deut­scher, EU-Aus­län­der oder bereits aner­kann­ter Flücht­ling für eine bestimm­te Stel­le infra­ge käme, ist der Asyl­be­wer­ber erst am Zug. Erst nach 15 Mona­ten sind Flücht­linge mit einer vor­über­ge­hen­den Auf­ent­halts­ge­neh­mi­gung auf dem Arbeits­markt gleich­be­rech­tigt.

2. Die Qua­li­fi­ka­tio­nen stim­men oft nicht

Die meis­ten der Flücht­linge, die nach Deutsch­land kom­men, spre­chen wenig oder gar kein Deut­sch: Ein KO-Kri­te­ri­um bei der Job­su­che. Zwar bie­ten ehren­amt­li­che Hel­fer oder die Volks­hoch­schule bereits län­ger Deutsch­kurse für Asyl­be­wer­ber an, ver­pflich­tend erhält dadurch aber noch lan­ge nicht jeder Flücht­ling eine Ein­füh­rung in die deut­sche Spra­che.

Das zwei­te Pro­blem ist die durch­schnitt­lich nied­ri­gere Schul­bil­dung: Zwar gibt es weder land­kreis- noch bay­ern­weit gesi­cherte Zah­len zum Bil­dungs­stand der tau­sen­den Asyl­be­wer­ber in Bay­ern (weil der Bil­dungs­stand bei der Asyl­an­trag­stel­lung nicht ange­ge­ben wer­den muss), jedoch gibt es Ori­en­tie­rungs­zah­len auf Basis frei­wil­li­ger Anga­ben.

Ein Drit­tel ist ohne wirk­li­chen Schul­ab­schluss

Die­sen Daten zufol­ge, hat mehr als jeder zehn­te Flücht­ling gar kei­ne, cir­ca ein Vier­tel von ihnen, nur eine Grund­schul­aus­bil­dung. Ähn­lich wie Ein­hei­mi­sche ohne voll­wer­ti­gen Bil­dungs­ab­schluss, haben die­se Asyl­be­wer­ber auf dem Arbeits­markt prak­tisch kei­ne Chan­cen, ohne sich über meh­rere Jah­re schu­lisch zu bil­den.

Bildungsniveau

Etwas mehr als ein Drit­tel gab in den Antrags­ver­fah­ren an, die Haupt­schul­aus­bil­dung im jewei­li­gen Her­kunfts­land abge­schlos­sen zu haben. Aller­dings ist die­se in vie­len Fäl­len qua­li­ta­tiv wenig mit den deut­schen Stan­dards ver­gleich­bar. In der Pra­xis wird jeder Fall ein­zeln aner­kannt. Ers­ter Richt­wert ist die jewei­lige Zahl an Schul­jah­ren, die es für den deut­schen Abschluss bräuch­te. Bei gym­na­sia­ler Bil­dung und Uni­ver­si­täts­ab­schlüs­sen ver­hält es sich ahn­li­ch.

Büro­kra­ti­sche Aner­ken­nung der Bil­dung erschwert Berufs­ein­stieg

Die sons­ti­gen Kri­te­rien, nach denen das Baye­ri­sche Kul­tus­mi­nis­te­rium die Abschlüs­se beur­teilt, betref­fen die Fächer­in­halte und sind aus­leg­bar – offen­bar oft­mals nach unten. „Im Aus­land erwor­bene Qua­li­fi­ka­tio­nen wer­den daher eher nied­ri­ger ein­ge­stuft und Flücht­linge müs­sen hier Anpas­sungs­aus­bil­dun­gen machen“, erklärt Ste­phan Dünn­wald, vom Baye­ri­schen Flücht­lings­rat.

Für den Arbeits­markt bedeu­tet das: Etwa ein Drit­tel der Flücht­linge hat ohne umfang­rei­che Wei­ter­bil­dung gar kei­ne rea­lis­ti­schen Aus­sich­ten auf Arbeit in Deutsch­land. Das Drit­tel mit Haupt­schul­ab­schlüs­sen muss nicht nur büro­kra­tisch eine Arbeits­er­laub­nis ein­ho­len, son­dern auch sei­ne Bil­dungs­ab­schlüsse aner­ken­nen las­sen. Da aber eher weni­ge ihren Bil­dungs­weg lücken­los mit Doku­men­ten bele­gen kön­nen, zie­hen sich die Ver­fah­ren auch hier. Somit wird es in abseh­ba­rer Zeit höchs­tens ein Bruch­teil über­haupt auf den Arbeits­markt schaf­fen.

3. Der Arbeits­markt hat nicht genug Kapa­zi­tä­ten

Ein Bli­ck in die Arbeits­lo­sen­sta­tis­tik zeigt, dass im Land­kreis Alt­öt­ting nur etwa 3,3 Pro­zent arbeits­los gemel­det sind – genau­er gesagt 2012 im August 2015. Dem gegen­über ste­hen schon etwa 1100, bis Jah­res­ende erwar­tete 1500, Flücht­linge gegen­über. Da durch­schnitt­lich etwa 33 Pro­zent der Asyl­an­träge ange­nom­men wer­den, ist also davon aus­zu­ge­hen ist, dass frü­her oder spä­ter noch­mals 25 Pro­zent mehr Arbeits­su­chende gemel­det sein wer­den. Weil vie­le von ihnen unter­durch­schnitt­lich qua­li­fi­ziert sind, auch noch mit schlech­ten Ver­mitt­lungs­chan­cen.

Vergleichszahl-Arbeitslose-Fluechtlinge

In den kom­men­den Mona­ten und Jah­ren ist es dem­nach frag­lich, wo all die­se Men­schen in der Regi­on Arbeit fin­den sol­len. Denn laut der Job­börse der Bun­des­agen­tur für Arbeit gibt es im Umkreis von 25 Kilo­me­tern um die Kreis­stadt 200 freie, gemel­dete Stel­len (Stand: 05.September 2015). Selbst dann, wenn man annimmt, dass Asyl­be­wer­ber schon ver­ein­zelt als arbeits­su­chend gemel­det sind, wür­de sich die Arbeits­si­tua­tion spe­zi­ell in Alt­öt­ting eher ver­schlim­mern als ver­bes­sern, wenn wei­tere Asyl­be­wer­ber auf den Markt drän­gen.

Arbeitsplaetze

Ergän­zend sind zum kom­men­den Aus­bil­dungs­zeit­raum noch fast 200 von 900 Lehr­stel­len unbe­setzt, teilt die IHK für Mün­chen und Ober­bay­ern mit. „Vor allem klei­ne und mitt­lere Unter­neh­men müs­sen um jeden Azu­bi kämp­fen“, erläu­tert Ingrid Ober­mei­er-Osl, Vize­prä­si­den­tin der IHK.

Für die jün­ge­ren Asyl­be­wer­ber kom­men die­se Ange­bote aller­dings zu früh – ent­we­der wegen büro­kra­ti­scher Hür­den oder weil Sprach­kennt­nisse und Schul­bil­dung (noch) nicht aus­rei­chen.

Fazit: Die Unter­neh­men kön­nen der­zeit kaum von der Arbeits­kraft der Asyl­be­wer­ber pro­fi­tie­ren.

 

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