Abschie­bun­gen ver­ei­telt? — Minis­te­ri­um schickt “Droh­brief” an Wohl­fahrts­ver­bän­de

Abschie­bun­gen ver­ei­telt? — Minis­te­ri­um schickt “Droh­brief” an Wohl­fahrts­ver­bän­de

Das Baye­ri­sche Sozi­al­mi­nis­te­ri­um setzt die Wohl­fahrts­ver­bän­de im Frei­staat stark unter Druck. Staats­mi­nis­te­rin Emi­lia Mül­ler und ihren Mit­ar­bei­tern gefällt offen­bar gar nicht, wie die Wohl­fahrts­ver­bän­de, der Flücht­lings­ver­band und ande­re Orga­ni­sa­tio­nen Flücht­lin­ge bera­ten.

 

Aus Sicht des Sozi­al­mi­nis­te­ri­ums ver­stößt deren Pra­xis teil­wei­se gegen die „aktu­el­le Richt­li­nie für die För­de­rung der sozia­len Bera­tung und Betreu­ung“. Das geht aus einem Schrei­ben an die Trä­ger der Asyl­so­zi­al­be­ra­tung her­vor, das FOCUS Online vor­liegt. Dar­in erin­nert das Baye­ri­sche Minis­te­ri­um dar­an, dass Flücht­lin­ge „objek­tiv und rea­lis­ti­sch“ über ihre Situa­ti­on in Deutsch­land bera­ten wer­den soll­ten. Das “Miga­zin” hat­te zuer­st über den Fall berich­tet.

Minis­te­ri­um: Asyl­be­wer­bern müs­se frei­wil­li­ge Rück­kehr nahe­ge­legt wer­den

Damit meint die Behör­de ins­be­son­de­re, Flücht­lin­ge „über eine bereits bestehen­de oder in abseh­ba­rer Zeit mög­li­cher­wei­se ein­tre­ten­de Aus­rei­se­pflicht“ und über Aner­ken­nungs­quo­ten im Asyl­ver­fah­ren zu infor­mie­ren. Zudem sei gemäß der För­der­richt­li­nie auf „ent­spre­chen­de Hilfs­an­ge­bo­te im Frei­staat Bay­ern für eine frei­wil­li­ge Rück­kehr oder Wei­ter­wan­de­rung hin­zu­wei­sen.“

Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen, die geför­dert wer­den, müss­ten sich die­sen Richt­li­ni­en unter­wer­fen. “Es ist nicht Auf­ga­be der staat­li­ch geför­der­ten Asyl­so­zi­al­be­ra­tung, Abschie­bun­gen zu ver­ei­teln”, erklärt die baye­ri­sche Sozi­al­mi­nis­te­rin Emi­lia Mül­ler gegen­über FOCUS Online. Es sei mit den Grund­sät­zen nicht ver­ein­bar, „wenn wie jüngst vor­ge­kom­men ein­zel­ne Mit­ar­bei­ter der Asyl­so­zi­al­be­ra­tungs­stel­len kom­mu­ni­zie­ren, wie Betrof­fe­ne sich bevor­ste­hen­den Abschie­bun­gen ent­zie­hen kön­nen bzw. wie und wel­che wei­te­ren Rechts­mit­tel ein­ge­legt wer­den kön­nen.“

Kon­kre­ter Kri­tik­punkt ist dem­nach, dass Asyl­so­zi­al­be­ra­ter auch recht­li­che Knif­fe emp­feh­len wür­den. So hät­ten die­se “aus­rei­se­pflich­ti­gen Asyl­be­wer­ber auch dazu auf­ge­ru­fen, nicht in ihrer Unter­kunft zu über­nach­ten, um so einer Abschie­bung zu ent­ge­hen”, erklärt das Minis­te­ri­um. Die Hilfs­ver­bän­de dürf­ten sich die­se Tricks kei­nes­falls wie­der­holt zu Eigen machen.

Das Sozi­al­mi­nis­te­ri­um droht damit, die För­der­gel­der wie­der zu strei­chen

Mehr noch: „Rein vor­sorg­li­ch“ wei­se man dar­auf hin, dass „ein Wider­ruf der ent­spre­chen­den Ver­wal­tungs­ak­te in Betracht kommt“, wenn die Richt­li­ni­en wie­der­holt gebro­chen wür­den. Das bedeu­tet: Das Sozi­al­mi­nis­te­ri­um droht an, den Geld­hahn für die Flücht­lings­be­ra­tung zuzu­dre­hen — wenn die­se nicht dar­an arbei­tet, Flücht­lin­ge mög­lichst wie­der aus Bay­ern weg­zu­schi­cken.

Der Baye­ri­sche Flücht­lings­rat nennt das Schrei­ben aus dem Sozi­al­mi­nis­te­ri­um einen „Droh­brief“ und greift die Argu­men­ta­ti­on der Münch­ner Behör­de, wonach eine flücht­lings­ori­en­tier­te Bera­tung regel­wid­rig sei, scharf an. Im Hin­bli­ck auf Flücht­lin­ge, die aus Afgha­nis­tan nach Deutsch­land kom­men, gebe es regel­recht die „Ver­pflich­tung zu einer objek­ti­ven Bera­tung“, meint der Spre­cher des Baye­ri­schen Flücht­lings­rats, Ste­phan Dünn­wald.

Das Sozi­al­mi­nis­te­ri­um hät­te ger­ne, dass die Wohl­fahrts­ver­bän­de als Hand­lan­ger fun­gie­ren”

Unser Asyl­sys­tem sieht die­se Mög­lich­keit aus­drück­li­ch vor“, erklärt er. Von Ver­stö­ßen gegen die Richt­li­ni­en kön­ne des­halb in die­sem Fall über­haupt nicht die Rede sein – sämt­li­che Emp­feh­lun­gen sei­en im Rah­men des Erlaub­ten, sagt Dünn­wald: „Wenn Wohl­fahrts­ver­bän­de mög­li­che Betrof­fe­ne über Hand­lungs­mög­lich­kei­ten infor­mie­ren, so ist dies viel­leicht nicht im Sin­ne der Staats­re­gie­rung, aber auch kei­ne Ver­let­zung der För­der­richt­li­nie“.

Es sei gera­de der Anspruch an pro­fes­sio­nel­le Bera­tung, unab­hän­gig vom Geld­ge­ber zu ent­schei­den und sich kei­ner Gesin­nung zu unter­wer­fen, so Dünn­wald. „Gern hät­te das Sozi­al­mi­nis­te­ri­um Wohl­fahrts­ver­bän­de, die als Hand­lan­ger des Innen­mi­nis­te­ri­ums fun­gie­ren. Aber die ner­vö­se Reak­ti­on des Sozi­al­mi­nis­te­ri­ums zeigt, dass der ein­ge­schla­ge­ne Weg erfolg­reich ist.“


 Bild­ma­te­ri­al: Foto: Micha­el Lucan, Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de

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